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"Wir brauchen einen starken dritten Piloten"

Im erfrischend offenen Interview mit Motorline.cc spricht der Ford-Technikdirektor über die Probleme in Portugal, das neue WRC, die Fahrerpaarung 2011 uvm.

Gibt es technische Gründe, warum es für Ford in Portugal heuer gar nicht nach Wunsch gelaufen ist?

Das Problem war, dass wir keinen Trend herauslesen konnten. Wir haben die Zwischenzeiten und die Streckenabschnitte analysiert, aber man konnte nicht sagen, dass es unter bestimmten Bedingungen besser oder schlechter gelaufen ist.

Aber wir sind mit Sicherheit derzeit vom Auto her etwas im Rückstand, die Fahrer haben auch etwas an Selbstvertrauen verloren, es ist immer eine Kombination aus verschiedenen Dingen.

Wir haben letztes Jahr viele Rallyes gewonnen und Mikko Hirvonen hat zum Beispiel heuer die Monte Carlo Rallye gegen Sebastien Ogier gewonnen, das war ein großer Fight. Mikko hat auch Schweden gewonnen und er hat sicher nicht von einer Rallye zur nächsten das Rallyefahren verlernt. Es ist einfach eine Kombination von vielen kleinen Faktoren mit der wir derzeit zu kämpfen haben.

Ist der Ford härter zu den Reifen als der Citroen?

Wir fahren alle die gleichen Reifen, aber Ogier zum Beispiel ist sehr gut mit der Abnutzung zurecht gekommen. Es liegt also sicher mehr am Fahrer als am Auto.

Im Vorjahr war Ford auf Schotter immer sehr stark, hier in Portugal ist man doch weg von der Pace. Was sind die Gründe dafür?

Wir haben eigentlich damit gerechnet auch heuer vorne dabei zu sein. Aber gut, es gab nicht wirklich viel Entwicklung, unser Hauptaugenmerk lag auf dem Fiesta S2000 und dem Fiesta für nächstes Jahr. Citroen hat einfach viel mehr Ressourcen und es wird dort viel mehr getestet.

Aber auch dort hat man nicht viele neue Teile homologiert. Wir sind an einem Punkt angekommen an dem es schwierig ist, das Auto noch weiter zu entwickeln, wir haben den Plafond erreicht. Letztes Jahr war unser Auto eine Spur besser als der C4, heuer scheint es umgekehrt zu sein.

Wie sind die Erwartungen an die nun anstehenden Asphalt-Rallyes?

Keine Frage, das wird hart für uns. Wir haben keine Asphalt-Spezialisten. Und Leute wie Ogier sind auch unglaublich stark auf Schotter geworden, als frühere Asphalt-Spezialisten. Wir wissen, dass unsere Piloten auf Schotter das Maximum herausholen können, auf Asphalt gibt es sicher noch Arbeit für Mikko und Jari-Matti. Wenn wir die Wahl hätten, würden wir lieber vier Mal nach Griechenland fahren als zu den Asphalt-Rallyes…

Sprechen wir über die Entwicklung des Autos für nächstes Jahr, wie ist der Stand der Dinge?

Wir liegen im Plan und der Plan ist eng gesteckt. Es ist nicht leicht wenn das Regelwerk noch nicht ganz fertig ist. Wir werden das fertige Auto nicht vor September fahren können. Dann haben wir nur drei oder vier Monate zum Testen und das wird natürlich eine Herausforderung.

Kann man sagen, dass man mit dem Projekt wieder bei Null beginnt?

Was den Motor betrifft, so starten wir komplett neu. Wir müssen die Zylinder selbst herstellen, wir haben Direkteinspritzung, brauchen eine komplett neue Software und so weiter. Der Motor ist so kompliziert, ein Albtraum… Was das Chassis betrifft, so können wir natürlich auf Erfahrungswerte des Fiesta S2000 zurückgreifen.

Wenn man die derzeitigen S2000-Autos mit den kommenden WRC’s vergleicht, was sind die Hauptunterschiede?

Vor allem natürlich der turboaufgeladene Motor. Dadurch ändert sich natürlich auch das Setup, mehr Power und mehr Drehmoment kommen auf die Komponenten zu. Abgesehen davon sind sich die Autos durchaus ähnlich.

Lässt sich abschätzen wie weit die Entwicklung bei Citroen ist?

Nun, die haben sehr früh mit dem Programm gestartet, noch im Vorjahr wo noch nicht einmal die Eckdaten des Reglements gestanden sind, die haben einfach riskiert. Und Citroen testet unglaublich viel, zwei Wochen pro Monat.

Dort gibt es einfach mehr Geld, mehr Ressourcen und so weiter. Dafür sind wir als kleinere Firma deutlich flexibler und auch schneller in der Umsetzung. Wir haben mit dem neuen Focus auf Anhieb die WM gewonnen, Citroen hat den C4 drei Jahre lang entwickelt bevor er gelauncht wurde.

Kann man die Situation ein wenig mit der Formel 1, Red Bull und Adrian Newey vergleichen? Die hatten auch weniger Budget und haben das neue Reglement gut ausgenutzt und umgesetzt.

Absolut, ja! Ich gehe auch davon aus, dass nun eine gute Zeit für neue Hersteller ist in die WRC einzusteigen. Ich rechne damit, dass Volkswagen oder Toyota kommen. Jeder beginnt mit einem weißen Blatt Papier und zudem sind die Autos wesentlich einfacher als bisher. Abgesehen vom Motor, der ist und bleibt ein Albtraum…

Wurde die Entwicklung des Ford Focus WRC bereits eingestellt?

Um ehrlich zu sein haben wir die Entwicklung bereits vor zwei Jahren eingestellt. Wir haben uns im Vorjahr voll auf das S2000-Projekt konzentriert. Wenn ich sage gestoppt, so heißt das natürlich nicht völlig gestoppt. Aber große Schritte gab es keine mehr, das Auto ist ziemlich ausgereizt.

Mit der Performance des Fiesta S2000 kann man sehr zufrieden sein, oder?

Der Speed passt sehr gut, vor allem auch auf Schotter. Wir hatten ein paar kleine Probleme mit der Zuverlässigkeit, die haben wir aber nun im Griff und bei einem neuen Auto kann man so etwas nie ausschließen.

Ich bin nicht ganz happy, dass sich die Konkurrenz bereits einige Dinge von unserem Fiesta abgeschaut hat, aber das lässt sich leider nicht verhindern. Wir müssen die Autos verkaufen, das ist ein wichtiger Profit-Center und M-Sport lebt schließlich auch davon. Wir können es uns nicht leisten, alles bis zuletzt im Geheimen zu entwickeln.

Glauben Sie, dass die Fahrer im nächsten Jahr wichtiger werden?

Das ist eine gute Frage. Man hat keine Launch-Control, die Fahrer haben definitiv mehr zu tun. Aber natürlich muss man davon ausgehen, dass die Fahrer der Rallye-WM einen Start auch ohne Launch-Control hinbekommen.

Was mit Sicherheit an Bedeutung gewinnt, sind die Schaltmanöver. Beim WRC ist es relativ egal ob man statt im vierten im dritten Gang oder umgekehrt ist. Es gibt Power ohne Ende. Bei den neuen Autos ist das nicht mehr der Fall und wenn man den falschen Gang einlegt, verliert man gleich einmal zwei Sekunden, bei einem Schaltmanöver.

Wenn man die Kosten der jetzigen und der künftigen WRC’s vergleicht, wie groß ist der Unterschied?

Das jetzige WRC kostet rund 500.000,- Euro, ein Top-Spec S2000 kostet 300.000,- Euro. Und das neue WRC wird dazwischen liegen, also rund bei 400.000,- Euro. Der Motor des neuen WRC ist einfach extrem teuer. Die Entwicklung für die Direkteinspritzung verschlingt Unsummen.

Gibt es einen Unterschied beim Chassis des neuen WRC und eines S2000?

Es gibt Unterschiede, ja. Die sind aber nicht so dramatisch groß. Wir lernen mit den jetzigen S2000-Autos auch einiges und das wird in die Entwicklung des neuen WRC’s einfließen.

Was halten Sie von dem so genannten Welt-Motor, der in verschiedenen Motorsport-Serien zum Einsatz kommen soll?

Es wird nie passieren, dass man mit einem Motor Formel 1, Le Mans und Rallye-WM fährt. Die Entscheidung für den 1600er Turbo war sicher richtig, er hat mehr Drehmoment und macht mehr Spaß. Die Direkteinspritzung halte ich für absolut überflüssig.

Bei einem Straßenauto macht es natürlich Sinn, spart Treibstoff und senkt die Emissionen. Aber im Rallyeauto wird zu 95 Prozent Vollgas gegeben, da existiert der Vorteil der Direkteinspritzung einfach nicht. Der Motor kostet dadurch aber mehr als das Doppelte eines S2000-Motors, über 40.000,- Euro…

Glauben Sie, dass nächstes Jahr die selben Fahrer wie heuer für Ford fahren werden?

Eine gute Frage. Ich hoffe nicht. Ich glaube wir brauchen unbedingt drei gute Fahrer statt nur zwei. Bei Citroen sind es ja sogar vier! Und wenn man dann auch noch eins der beiden Autos verliert, schaut es schlecht aus.

Allerdings ist der Fahrermarkt in den letzten Jahren ja deutlich gesunken, es gibt nicht viele gute verfügbare Fahrer…

Absolut richtig, ja. Und das macht mir auch ein wenig Sorgen. Und wenn dann auch noch Volkswagen und Toyota einsteigen, dann wird die Nachfrage nach guten Piloten enorm hoch. Und wenn man nicht die richtigen hat, dann kann man auch nicht gewinnen. Citroen hat vier Fahrer, Loeb, Ogier, Sordo und Solberg. OK, Solberg können Sie vielleicht nicht so kontrollieren.

Stichwort Petter Solberg, wäre er nicht eine Option für Ford?

Petter kann sehr schwierig und kompliziert sein. Wenn er dann wie ein Verrückter herumläuft und alles ändern will, macht das die Sache nicht leicht. Aber wenn er ein gutes Setup gefunden hat, dann kann er auch sehr, sehr schnell und gut sein.

Der Druck auf Jari-Matti Latvala nimmt ständig zu, oder?

Natürlich, und ich habe auch gehofft, dass er in Portugal auf der Straße bleibt, klar. Aber es spielt eben einiges zusammen. Man kann das mit einer Welle vergleichen und derzeit sind vielleicht Auto und Fahrer nicht zu hundert Prozent auf der Höhe und viele Kleinigkeiten summieren sich dann eben. Aber wenn man sich den Rückstand ansieht, so ist der auch nicht massiv.

Aber es ist offensichtlich, dass die Citroen-Piloten auf Schotter immer stärker werden. Oder liegt das am Auto?

Die Citroen-Piloten sind sicher sehr stark. Es ist sehr schwer zu analysieren, zu welchem Teil die Fahrer und zu welchem Teil das Auto dazu beiträgt. Aber zugegeben, wir haben etwas von unserem Vorteil auf Schotter im Vergleich zum letzten Jahr verloren.

Fährt man die Testrallye in Serbien um den Piloten die Möglichkeit zu geben zu trainieren, oder rechnet man auch mit technischen Erkenntnissen.

Sowohl als auch. Die Rallye sollte ideal als Vorbereitung auf den WM-Lauf in Bulgarien passen, aufgebrochener Asphalt und viele Schläge.

Danke für das Gespräch!

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