Interview Martin Pfundner | 06.10.2011
Glockengießer und Weichensteller
Im Rahmen der Präsentation seines jüngsten Buches bat Motorline.cc den ehemaligen FIA-Vizepräsidenten und Unterstützer von Jochen Rindt und Niki Lauda zum Interview.
Michael Noir Trawniczek & Stefan Schmudermaier
„Mit Autos und Glocken durchs 20. Jahrhundert“ lautet der Titel des neuesten Buches von Martin Pfundner und ist so etwas wie die Autobiographie mit Betonung des Wortes Auto.
Im Rahmen der Buchpräsentation hatte Motorline.cc die Gelegenheit, ein Interview mit einem der bedeutendsten „Weichensteller“ des österreichischen Motorsports zu führen.
Doch der Reihe nach. Martin Pfundner wurde als Sohn eines autobegeisterten Glockengießers 1930 in Wien geboren. Und es dauerte nicht lange, da erfasste auch ihn der Automobil-Virus, wie in seinem Buch nachzulesen ist: „Ich war drei Jahre alt und mein Vater kam mit meiner neugeborenen Schwester und Mama nach Hause. Aber weit exakter als die drei mir sehr nahestehenden Menschen sehe ich den grünen Zwölfer-Steyr mit den schwarzen Kotflügeln vor mir. Für mich die erste Erinnerung an das Automobil.“
Kindheits- und Jugenderinnerungen dürfen in diesem sehr kurzweilig geschriebenen Buch ebenso nicht fehlen wie jene an den zweiten Weltkrieg. Unbestrittener Schwerpunkt ist aber das Thema Motorsport. Und hier offenbaren sich Zusammenhänge, die selbst viele Motorsport-Interessierte vermutlich nicht wissen.
Jochen Rindt und Niki Lauda baten Pfundner um Hilfe
So war Pfundner ein „Geburtshelfer“ der Karrieren von Jochen Rindt und Niki Lauda: „Der Jochen war ein Lausbub aber ein echtes Naturtalent, schon bald gab es den Spruch 'So quer wie er stand selten wer'. Er hat mit Tourenwagen begonnen und ist dann in die Formel Junior gewechselt. Dann wollte er in die Formel 2 und er kam zu mir. Ich hab dann Jack Brabham gebeten, Jochen ein sehr frühes Auto zu geben. Und das war für ihn dann eine große Chance, bereits beim zweiten Rennen in England hat er Weltmeister Graham Hill geschlagen.
Ähnlich war es bei Niki Lauda. Dazu muss ich etwas ausholen. Ich hab meinen ersten Grand Prix im Jahr 1953 erlebt. Ein Studienkollege hat mich eingeladen zum Nürburgring mitzukommen. Wir sind mit einem großen amerikanischen Auto gefahren, eine ältere Dame, mein Studienkollege und dessen Bruder und ich. Die ältere Dame war die Großmutter von Niki Lauda, das Auto gehörte Niki Laudas Großvater Hans, Heinz Lauda – Nikis Onkel - und Peter Lauda – Nikis Vater – waren ebenfalls dabei. Es war dann auch kein Zufall, dass Jahre später Niki Lauda zu mir kam als er in die Formel 2 wollte. Ich hab ihn dann bei March eingeführt.“
Aber es hieß doch immer, dass Niki Lauda gegen den Willen seiner Familie Motorsport betrieben hat, werfen wir ein. „Sein Onkel Heinz ist Gokart-Rennen gefahren, bis hin zu einem WM-Lauf in Rom. Peter war durchaus aufgeschlossen, das erste Auto von Niki – der Mini Cooper – den hat seine Großmutter gekauft. Niki hat die Situation etwas dramatisiert, da ging es viel um Imagepflege.“
Wie ging es mit Niki Lauda bei March weiter? „Eigentlich ganz passabel. Bis der Besitzer von BRM, Luis Stanley, mich angesprochen hat und sich nach Niki Lauda und Helmut Marko erkundigt hat. Er wollte ein österreichisches BRM-Team gründen. Allerdings kam das aus finanziellen Gründen nicht zustande. BRM benötigte dann aber einen Stammfahrer für das Hauptteam und das war Helmut Marko. Niki Lauda bekam 1973 schließlich einen Werksvertrag bei Ferrari, die einzig positive Nachricht rund ums Auto während der Ölkrise.“
Initiator des Österreich-GP
Martin Pfundner hat aber nicht nur den größten österreichischen Motorsport-Talenten dieser Zeit beim Start ihrere Karrieren geholfen, er war auch ganz maßgeblich bei den Projekten Österreichring und Salzburgring involviert.
„Das Flugplatzrennen in Zeltweg habe ich aufgebaut von einem kleinen Rennen bis hin zu einem Formel-1-Lauf mit WM-Status. Ich war dort Rennleiter. Spätestens beim WM-Lauf hat sich herausgestellt, dass ein operativer Flugplatz schlecht geeignet war um so eine Veranstaltung durchzuführen, wir konnten ja erst am Donnerstag mit dem Aufbau beginnen.“
„Der Ruf nach einer permanenten Rennstrecke wurde laut. Es hat sich schnell herausgestellt, dass es entweder keine oder gleich zwei Rennstrecken geben wird. Es gab zwei Parteien, die eine solche Rennstrecke wollten, unter der Führung der Herren Tiroch (Zeltweg) und Löwinger (Salzburg), die sich in den 50er Jahren wegen einer Abrechnung zerstritten und das Kriegsbeil auch Jahre später noch nicht begragen hatten. Das Ergebnis waren zwei Rennstrecken.“
In weiterer Folge brachte es Martin Pfundner bis hin zum FIA-Vizepräsidenten. Über diesen Aufstieg, die Bedeutung für den heimischen Motorsport und das jähe Ende dieser Funktion berichten wir im 2. Teil des Interviews, das nächste Woche erscheint.
Eine kurze Zusammenfassung des Buchs "Mit Autos und Glocken durchs 20. Jahrhundert" finden Sie auf der nächsten Seite!