BMW R 1200 RS - im Test | 02.05.2015
Dynamisch boxen
BMWs Sporttourer R 1200 RS überzeugt durch druckvolles Beschleunigen und lässt sich leichtfüßig und mühelos durch Kurven scheuchen.
Thilo Kozik/mid
Bei BMW-Motorrädern mit Boxermotor definiert das Typenkürzel schon den geplanten Einsatzzweck: GS bedeutet Gelände und Straße, und die neue RS steht für Reise und Sport.
Mit dem fünften Modell der neuen BMW-Boxergeneration belebt BMW jetzt ein fast vergessenes Segment neu, das die Bayern im Jahre 1976 praktisch begründet hatten: Damals zeigte die R 100 RS als erstes Großserien-Motorrad der Welt eine im Windkanal entwickelte, rahmenfeste Vollverkleidung, womit die Gattung der Sporttourer begründet wurde.
Mit der neuen R 1200 RS setzen die Bayern diese Tradition fort, allerdings auf den heutigen Stand gebracht. Das dokumentiert die Bayerin in erster Linie durch ihre schmale, dynamisch anmutende Front-Silhouette mit Halbschalenverkleidung, die durch neu geformte Luftansaug-Schnorchel sowie einen zentral platzierten Wasserkühler möglich wurde.
Typisch sind die symmetrischen Scheinwerfer-Ausschnitte, mit analog zu den BMW-Sportlern asymmetrischen Reflektoren. Doch noch prägnanter setzt das optionale, vertikal mittig zwischen den Leuchteinheiten angeordnete (optionale) LED-Tagfahrlicht die RS vom Rest der Zweirad-Meute ab.
Hinter der rahmenfesten Verkleidung stellt ein vergleichsweise hoher Lenker und mitsamt angenehmem Sitzbank-Fußrasten-Abstand eine langstreckentaugliche Sitzposition her. Für den Windschutz ist ein werkzeugfrei leicht in zwei Positionen arretierbares Windschild zuständig - die hohe Stellung bietet guten Schutz beim Reisen, sieht aber nicht so schnittig aus.
Technisch bedeutet das ins Moderne übertragene Konzept in erster Linie die Übernahme des kernigen, teilweise flüssigkeitsgekühlten Boxermotors, der in seinen Grundzügen bereits in der R 1200 GS, R 1200 GS Adventure sowie in der R 1200 RT und R 1200 R zum Einsatz kommt.
Der 1.170 ccm große Vierventiler leistet 92 kW/125 PS bei 7.750/min und entwickelt ein kräftiges Drehmoment von maximal 125 Nm bei 6 500/min.
Gegenüber den Geschwister-Triebwerken bringen eine geänderte Airbox und eine neue Abgasanlage etwas mehr Druck, mit dem die RS vor allem im unteren Drehzahlbereich tatsächlich subjektiv fühlbar eine Spur dynamischer antritt als etwa der Bestseller R 1200 GS oder der Tourer R 1200 RT. Über das gesamte nutzbare Drehzahlband verspricht BMW über 100 Newtonmeter Drehmoment, und das scheint der Boxermotor zu erfüllen.
Schon im Stand brabbelt der Boxer dumpf und angriffslustig vor sich hin, nur um bei höheren Drehzahlen mit kerniger Akustik auf sich aufmerksam zu machen.
Gibt die sehr leichtgängige Kupplung den Kraftschluss frei, schiebt sich die RS ab Standgas mit Vehemenz nach vorn und erfreut mit einer homogenen Leistungsabgabe ebenso wie mit feinfühliger Reaktion auf Gasgriffbefehle. Bis 7.000 Touren legt das Triebwerk mit erstaunlicher Drehfreude zu, erst darüber erlahmt der Zug ein wenig.
Die Freude am Fahren befeuert das mit kurzen Schaltwegen versehene Sechsgang-Getriebe ebenso wie die sehr leichtgängige Ölbadkupplung, die mit einer Anti-Hopping-Funktion lästiges Stempeln beim Herunterschalten vor Kurven eliminiert.
Mit dem optionalen Schaltassistent Pro ist Hoch- und Zurückschalten ohne Kupplungs- oder Drosselklappen-Betätigung möglich - die Elektronik nimmt per Zwischengas eine Drehzahlanpassung vor -, was ein spürbares Plus an Dynamik beschert. Zudem minimiert das System unangenehme Lastwechsel im Kardanstrang.
Serienmäßig hat der neue Sporttourer neben dem teilintegralen ABS die Traktionskontrolle ASC und die beiden Fahrmodi "Road" und "Rain" an Bord. Gegen Aufpreis gibt es die Sonderausstattung Fahrmodi Pro, die die schräglagenabhängige Traktionskontrolle DTC und zwei weitere Fahrmodi, "Dynamic" und den programmierbaren "User", hinzufügt.
Damit die satte Zugkraft am Hinterrad auch in druckvolles Beschleunigen aus den Kurven umgesetzt werden kann, kommt bei RS ein Fahrwerk mit Upside-Down-Gabel, Stahlrohr-Brückenrahmen und Paralever-Einarmschwinge zum Einsatz.
Ungeachtet der 236 Kilo Lebendgewicht gibt sich die RS im Winkelwerk durchaus leichtfüßig, mühelos biegt die 1200er in die Ecken. Knackige Wechselkehren verlangen nur minimalen Körpereinsatz, um auf Kurs zu bleiben, und auch bei der Stabilität bei Hochgeschwindigkeit gibt sich der Sporttourer keine Blöße. Nur beim Langsamfahren in der Stadt fällt der beruhigende Lenkungsdämpfer bisweilen hemmend auf.
Allemal empfehlenswert ist die Sonderausstattung "Dynamic ESA", erkennbar an den goldenen Standrohren. Dieses System passt die Dämpfung dem Fahrzustand und Fahrmanövern automatisch an, zur Verfügung stehen die beiden Dämpfungskennlinien "Road" und "Dynamic".
Auch die Vorspannung am Federbein lässt sich auf Knopfdruck der Beladung anpassen. So gelingt ein passendes Fahrwerks-Setup in Sekundenschnelle, das auf Tastendruck von sensibel ansprechend auf satt dämpfend für engagierte Fahrweise wechselt. Dafür ist auch die kombiniert zupackende Dreischeiben-Bremsanlage gemacht, die mit ABS einen guten Kompromiss aus sportlicher Verzögerung und alltagstauglichem Anhalten bietet.
Keine Frage: Mit der RS hat BMW dem Sporttourer-Markt eine eigenständige und dazu wertige Alternative hinzugefügt. Vom auf den ersten Blick für eine BMW recht günstig erscheinenden Preis von 16.150 Euro (Deutschland: 13.500 Euro) sollte man sich nicht blenden lassen: Erst die in verschiedenen Paketen aufpreispflichtig angebotenen Sonderausstattungen machen die R 1200 RS richtig begehrenswert.
Technische Daten BMW R 1200 RS
Straßenmotorrad mit luft-/flüssigkeitsgekühltem Zweizylinder-Boxermotor, vier Ventile pro Zylinder, zwei obenliegende Nockenwellen, Hubraum: 1.170 ccm Hubraum, Bohrung x Hub: 101 x 73 mm, 92 kW/125 PS bei 7.750/min, 125 Nm bei 6.500/min, elektronische Einspritzung, G-Kat (Euro 3), Sechsgang-Getriebe, Kardanwelle; Stahlrohr-Brückenrahmen, Upside-Down-Gabel, Aluminium-Einarmschwinge mit Kardanwelle (Paralever) und Zentralfederbein, zwei Scheibenbremsen vorn, eine hinten, Integral-ABS, Reifen vorne: 120/70 ZR17, hinten: 180/55 ZR17; Sitzhöhe: 820 mm, Leergewicht: 236 kg, zul. Gesamtgewicht: 450 kg, Tankinhalt 18 l.Österreich-Preis ab 16.150 Euro (Deutschland: 13.500 Euro).