Piaggio New Liberty 125 - erster Test | 02.02.2016
Freiheitsstatue
Mit dem New Liberty will Piaggio den Erfolg seines Großrad-Rollers fortsetzen. Dazu erhält er einen neuen Motor und ein modernes Design.
Norbert Meiszies/mid
Knapp eine Million Fahrzeuge hat Piaggio vom Liberty bisher verkauft. Dabei haben es "Großrad-Roller", also Fahrzeuge mit Rädern zwischen 14 und 16 Zoll Größe, grundsätzlich schwer.
Und das, obwohl die Vorzüge, zumal für den Stadtbetrieb, bekannt sind: hoher Abrollkomfort, mehr Stabilität auf schlechtem Untergrund und eine entspannte Ergonomie.
Doch Roller, die aufgrund der Reifen-Dimensionen mit einem eingeschränkten Stau- bzw. Helmfach leben müssen, sind bei uns nur schwer an Mann oder Frau zu bringen. Eine Ausnahme stellt der Honda SH dar, der nicht nur in Italien seit Jahren die Zulassungs-Statistiken anführt.
Mit dem New Liberty, den Piaggio als 50er, 125er und in Italien als 150er anbietet, könnte dem Honda-Bestseller jetzt eine ernst zu nehmende Konkurrenz erwachsen. Schon rein optisch erregt der Neue mehr Aufmerksamkeit als sein biederer, unscheinbarer Vorgänger, der vor allem von italienischen Postboten gefahren wird.
Die Verkleidung haben die Designer gekonnt zu einer eigenständigen Einheit zusammengefügt: Die schwarz abgesetzten Kunststoff-Teile um die Blinker und in der Mitte der Frontverkleidung hinterlassen einen edlen Eindruck.
Verchromte Zierleisten verstärken diesen noch. Und die beiden runden, gute Rücksicht bietenden Chromspiegel verpassen dem Roller außerdem einen Retro-Touch, den das trapezförmige Cockpit, das dem der Vespa Primavera ähnelt, noch unterstreicht.
Halb analog, halb digital ist es gut ablesbar, vermittelt alle notwendigen Informationen vom Benzinverbrauch über die Uhrzeit und Tageskilometer bis zur Geschwindigkeit. Eine Drehzahl-Anzeige fehlt dagegen, wird aber auch nicht vermisst.
Einen Kompromiss sind die Entwickler bei den Beleuchtungskörpern eingegangen. Auf die angesagten LEDs wird fast komplett verzichtet, nur unter den Blinkern gibt es eine dezente LED-Leiste als Positionslicht, ansonsten werden Standard-Glühbirnen verwendet.
Neben dem Design ist der Motor die wesentliche Neuerung am Liberty. Piaggio setzt hier erstmals die neu entwickelte Motoren-Generation "iGet" ein. Auf Basis des bewährten "LEADER"-Antriebs wurde der Motor von Grund auf überarbeitet.
Neu ist die Einspritzanlage, die für eine bessere Füllung des in Bohrung und Hub unveränderten Einzylinders sorgen soll. Ziel war es, sowohl die Emissions- als auch die Geräuschwerte den aktuellen Normen anzupassen und den Benzinverbrauch zu senken. Unter zwei Liter auf 100 Kilometer verspricht Piaggio, bei durchschnittlich 40 km/h soll man mit einem Liter Sprit sogar 57 km weit kommen.
Beim 125er-Liberty kommt ein luftgekühlter Dreiventil-Viertakter zum Einsatz, der deutlich leiser arbeitet als das bisherige Aggregat. Das typische Blob-blob-blob hat er aber nicht ganz verloren. Die Kraft des knapp 11 PS starken Aggregats entwickelt sich sehr sanft, wobei die Umsetzung in Vortrieb durchaus spürbar ist.
Das sei Absicht gewesen, erklären die Piaggio-Techniker. Man habe keinen Ampel-Sprinter gewollt, wie sie in Italien gewünscht sind, sondern einen Gleiter für alle Märkte, der im Verkehr auf jede Gegebenheit spontan reagieren kann. Das ist den Technikern gut gelungen.
Zum Wohlfühleffekt trägt das Fahrwerk mit 16-Zoll-Vorderrad und einem 14-Zöller hinten bei. Die Abstimmung der Telegabel und des fünffach einstellbaren Federbeins hinten sorgt für einen ausgezeichneten Fahrkomfort, der selbst durch einen unebenen, mit Schlaglöchern gespickten Asphalt kaum beeinträchtigt wird.
Für eine sportlichere Fahrweise könnte der hintere Dämpfer etwas härter abgestimmt sein. Fürs Bremsen ist eine Scheibe-Trommel-Kombination zuständig, die von einem serienmäßigen Zweikanal-ABS von Bosch unterstützt wird. Allerdings wirkt der Antiblockierer nur auf das Vorderrad bei durchaus effektiver Bremswirkung.
Wie es sich für einen Stadtroller gehört, zeigt sich auch der New Liberty in Sachen Handling und Wendigkeit von seiner besten Seite. Das Aufbocken dürfte selbst zarten Damen leicht von der Hand gehen. Lediglich größere Fahrer über 1,80 Meter kommen in engen Kurven mit ihren Knien schon mal mit den Lenkerenden in Kontakt.
Ansonsten fühlt man sich auf dem schmalen Sitzpolster, unter dem der Stauraum sogar Platz für einen ausgewachsenen Vollvisierhelm bietet, gut aufgehoben. Die Füße fühlen sich auf dem flachen Trittbrett keineswegs eingeengt, die Schalter der Armaturen sind problemlos zu erreichen und die großflächigen, ausklappbaren Fußrasten erfreuen den Sozius. Der Wetterschutz aber könnte besser sein, die Knie sind hinter dem schmalen Vorbau Regen und Spritzwasser schutzlos ausgeliefert.
Piaggios Rollermodelle sind nicht unbedingt ein Schnäppchen, aber dank Fertigung in Vietnam, wo der Konzern ein eigenes Werk betreibt, sind die für den New Liberty 125 verlangten 2.600 Euro (Deutschland: 2.460 Euro) durchaus ein verlockendes Angebot.