MOTORSPORT

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter
Formel 1: Exklusiv

Exklusivinterview mit Toto Wolff

In drei Jahren soll Williams wieder um die WM kämpfen – das und vieles mehr erzählt Anteilseigner Toto Wolff im exklusiven Gespräch mit motorline.cc.

Michael Noir Trawniczek

Williams-Anteilseigner Toto Wolff spricht im motorline.cc-Interview über die aktuellen Erfolge des Teams, dessen Pläne für 2011, die weiteren Zukunftsperspektiven des britischen Traditionsrennstalls, seine eigene Rolle in diesen Plänen und welcher Österreicher als nächster in die Formel 1 gelangen könnte...

Du hast heuer bereits recht frustriert geklungen, weil bei Williams zunächst recht wenig weiterging – doch zuletzt gab es Top 10-Platzierungen. Worauf ist das zurückzuführen?

Gut, es liegt in der Natur meines Berufes, die Dinge eher pessimistisch zu sehen. Aber ich glaube, dass die guten Ergebnisse genauso wenig widerspiegeln, was jetzt vielleicht geschafft worden ist, wie das die schlechten Ergebnisse am Anfang des Jahres widergespiegelt haben.

Fakt ist: Wir haben richtige Schritte gesetzt im Unternehmen – ich bin ja seit November dabei und bin relativ schnell in die wichtigsten Entscheidungen implementiert worden. Wir haben gut analysiert, wir haben die Prozessabläufe diskutiert. Wir haben überlegt, ob die Leute an den richtigen Stellen sitzen, wie die Leute miteinander kommunizieren. Wir haben alle Leute sprechen lassen. Dann haben wir umstrukturiert, um für das nächstjährige Auto die Abläufe zu verbessern.

Wurde viel verändert?

Wir haben nach außen hin nicht viel verändert, weil die relevanten Leute an den relevanten Stellen geblieben sind. Wir haben den CEO, den Adam Parr, zum Chairman gemacht – wir haben ihm also mehr Verantwortung gegeben, für das gesamte Unternehmen, was ich sehr begrüßt habe, weil ich Adam für sehr fähig halte. Der Sam Michael ist nach wie vor Technischer Direktor.

Intern wurden aber die Abläufe und Reporting-Strukturen komplett verändert, beziehungsweise wurden welche geschaffen, die es vorher nicht gab. Das sollte sich auf das neue Auto auswirken.

Die besseren Ergebnisse, die wir jetzt haben – das ist einfach die in den letzten Monaten verbesserte Arbeit im Windkanal. Man sieht, dass Williams nun schneller reagieren und neue Elemente bauen kann. Und die funktionieren – siehe F-Duct und rear-blown-diffuser.

Jetzt kennt man Williams als das große Weltmeisterteam – davon ist heute nicht mehr viel übrig. Woran liegt das? Am Budget?

Nein, am Budget liegt das nicht, wir machen sogar große Gewinne. Das Unternehmen ist schuldenfrei. Nein, das liegt einfach daran, dass das Unternehmen in den letzten fünf Jahren keinen sportlichen Erfolg hatte. Nach dem Weggang von BMW war natürlich auch das Budget eine Frage, heute jedoch nicht mehr. Aber es hat einfach das Paket, von den handelnden Personen her, den Technikern bis hin zum Fahrer, einfach nicht zusammengepasst. Da gilt es die Veränderungen herbeizuführen.

Das Endziel ist also, aus Williams wieder ein Siegerteam zu machen?

Ich bin a) ein Finanzinvestor - das bedeutet: Ich würde gerne einmal feststellen, dass die Beteiligung, die ich eingegangen bin, mehr wert wurde. Und b) dass ich dann darüber nachdenke, ob ich es behalte oder nicht. Grundsätzlich kann die Beteiligung nur mehr Wert erlangen, wenn das Team sportlich erfolgreich ist. Denn das bringt höhere Einnahmen aus dem FOM-Preistopf. Wahrscheinlich auch höhere Einnahmen aus Sponsorengeldern. Daher ist es ganz klar: Das Team muss wieder auf die Siegerstraße zurückkehren. Das ist unser Dreijahresplan – wir wollen in drei Jahren um die WM fahren.

Du schätzt also den Sam Michael so ein, dass er ein Siegerauto bauen kann?

Ich habe dem Sam Michael mein Vertrauen ausgesprochen. Ich glaube, dass er zu den Guten gehört – jetzt gilt es in diesem Bereich Leadership zu zeigen.

Ihr baut ja bereits das neue Auto – da kommt ja der verstellbare Heckflügel, damit arbeitet ihr also schon?

Ich glaube, dass bei allen vernünftigen Teams das nächstjährige Auto in einem weit entwickelten Stadion ist. Das ist auch einer der Gründe, warum wir bei Cosworth als Motorenlieferant geblieben sind. Weil uns ein Motorenwechsel zwei Monate Entwicklungszeit gekostet hätte.

Und ja, der verstellbare Heckflügel ist ein Thema, über das heute sehr stark nachgedacht wird. Weil das einer der wesentlichen Bereiche ist, wo einem vielleicht etwas einfallen kann.

Man weiß aber noch nicht genau, wie der verstellbare Heckflügel eingesetzt wird. Man weiß auch noch nichts von den neuen Pirelli-Reifen – wie kann man da ein Auto für 2011 bauen?

In diesem technischen Bereich bin ich auch nur ein interessierter Leser, der sich auch manchmal wundert, wie wenig Klarheit herrscht. Was die Reifen anbelangt, sind diese sicher so etwas wie eine Variable. Da kann man nur hoffen, dass der Reifenhersteller einen Reifen bringt, der konstant die gleiche Qualität liefert. Das ist für die Ingenieure eine wesentliche Konstante – wenn Pirelli das nicht hinkriegt, könnte es 2011 ein paar Rennen geben, wo Leute am Spitz mitfahren, die dort nicht hingehören.

Eine Chance für Williams?

Ich hoffe nicht – denn ich hoffe doch, dass wir aus eigener Kraft heraus konstant an der Spitze mitfahren können. Und wir vertrauen auf Pirelli, das sie das hinkriegen und es gibt ja nach Abu Dhabi auch zwei offizielle Reifentests. Dort gilt es, möglichst viele Daten zu generieren.

Dort wird man also B-Autos sehen?

Das glaube ich nicht – ich glaube eher, dass man verschiedene Szenarien am Auto ausprobieren wird.

Jetzt haben wir einerseits den Spargedanken, die Fahrer dürfen nicht mehr testen, zugleich gab es Entwicklungsschlachten rund um Mehrfachdiffuser und F-Duct – ist das nicht ein Widerspruch? Oder halten sich die Kosten für solche Entwicklungen in Grenzen?

Schau, die Formel 1 hat den Anspruch, die technisch hochwertigste Serie zu sein – man wird immer vermeiden, eine GP2 daraus zu machen. Man wird immer danach trachten, den Ingenieuren, den Kreativen ihre Freiheiten zu lassen. Es geht ja nicht nur um den Kampf Fahrer gegen Fahrer, sondern um das Gesamtpaket. Es soll das beste Team gewinnen – das macht die Formel 1 aus.

Aber du hast natürlich Recht: Es gibt gewisse technische Features, die man in Frage stellen muss. Aber am Ende des Tages sind ein F-duct oder ein rear-blown-diffuser aus einer ungeheuren technischen Kreativität heraus entstanden. Und wer weiß, wofür ein F-Schachtsystem künftig in der Serie oder in der Aeronautik oder sonst irgendwo gebraucht werden? Ein Fahrzeug absichtlich stallen zu lassen, um daraus mehr Geschwindigkeit zu erzeugen – das ist für mich etwas total Faszinierendes. Und es wurde kopiert – auch wir haben es kopiert, weil wir fanden, dass es faszinierend ist.

Wie läuft das ab? Es gibt eine Vorstandssitzung und die Ingenieure sagen: Dieses System müssen wir kopieren, kostet so und so viel - und dann kommt der Beschluss?

Simpel gesagt läuft es so ab. In Wahrheit sieht ja jedes Teams sofort nach den Launches oder den ersten Tests, was die anderen am Auto haben. Dann wird geschaut, ob man ein solches System auch benötigt, weil es auf der Rennstrecke tatsächlich schneller ist. Und dann gibt es ein Board-Meeting, bei den größeren Entwicklungen, die viel kosten – beim F-Schacht war das nicht der Fall, denn die Entwicklung hat nicht wahnsinnig viel gekostet.

Wie viel kostet eine F-Schacht-Entwicklung?

Die genaue Zahl kann ich dir nicht sagen – aber es hat jedenfalls keine Millionen gekostet.

War der Doppeldiffusor teurer?

Nein, auch nicht – weil das war eine Idee, die der Sam Michael hatte. Nein, es gibt ein Entwicklungsbudget – und da liegen wir derzeit nur drei oder vier Prozent darüber, obwohl wir massive Veränderungen hatten.

Wenn wir in die Zukunft blicken – Sir Frank Williams wird das Team ja nicht ewig führen. Zugleich hast du einmal gesagt, du kannst dir vorstellen, deine Anteile zu erhöhen. Sieht Frank Williams dich als eine Art Kandidat, das Team weiter zu führen?

Ich glaube, dass der Frank sicherstellen wollte, dass a) das Management ein junges ist und dass b) aus Gesellschaftersicht Leute da sind, von denen er den Eindruck hat, dass sie das auch können. Was mich persönlich betrifft, weiß ich es nicht. Weil das ist nicht mein Beruf, ich bin eigentlich ein Finanzmensch, der sich beteiligt und wieder verkauft.

In dem Fall ist es aber eine Beteiligung, die mir emotional sehr nahe geht. Weil das etwas ist, das ich immer schon machen wollte. Ich versuche nur, es weiter kaufmännisch zu betrachten und kann dir heute nicht sagen, ob ich meine Beteiligung so ausbauen werde, dass ich dort der größte Aktionär bin und ich das Team dann die nächsten 20 Jahre führe. Das möchte ich mir offen lassen.

Kann man sagen, das du ein Finanzexperte bist, der aber in punkto Teamführung eines Formel 1-Teams bei Frank Williams unter Anführungszeichen in die Lehre geht?

Nein, so kann man es nicht sehen. Denn ich mache meinen Beruf einerseits seit 15 Jahren und zugleich sehe ich mich nicht als direkter Nachfolger des Frank Williams. Es läuft heute einfach anders ab, es gibt eben das Board mit den sieben Gesellschaftern. Ich sehe mich als einer der Eigentümer, der nicht die Fähigkeiten hat, das Team operativ zu leiten, der aber sehr wohl die Fähigkeiten hat, das Team strategisch zu führen.

Das heißt: Frank Williams und Patrick Head mussten sich wohl ziemlich umstellen. Wo sie früher gesagt haben, wo es lang geht, sitzt eben heute das Board.

Absolut. Aber dort sitzen auch sehr fähige Leute. Da gibt es einen Techniker, einen Juristen, den Chairman, den Team Principal und den Patrick Head und mich. Und wir alle tauschen uns aus und bringen uns ein – und jeder hat seine Kernkompetenz. Das Team wird nicht mehr wie ein Team der 80er-Jahre geführt – Williams und Head haben Weitblick bewiesen und das Board führt jetzt das Team, es ist eine moderne Teamführung.

Wann wird Williams Weltmeister?

(lacht) In dieser Glaskugel [Zuckerstreuer, d. Red.] ist leider nur Zucker drinnen. Also keine Ahnung! Um Weltmeister zu werden, bedarf es so vieler Faktoren. Wenn du mich fragt, wann das Team wieder auf ein Podium fahren kann, was etwas realistischer ist, dass das nachhaltig, also ohne Glück, dann sage ich dir, dass das im nächsten Jahr passieren kann.

Man fährt 2011 wieder mit Rubens Barrichello und Nico Hülkenberg?

Das sind so die Tendenzen, ja.

Du hast vor unserem Interview über die Schwierigkeiten gesprochen, als junger österreichischer Pilot, der du ja einmal warst, Fuß zu fassen. Kannst du in deiner Position einem jungen Österreicher weiterhelfen?

Ja, denn am Ende des Tages bin ich Österreicher, auch wenn ich schon seit vielen Jahren nicht mehr hier lebe. Und wie du richtig sagst: Ich erhebe heute immer noch den Vorwurf, dass manche Leute in der Position gewesen wären, jungen Fahrern zu helfen – und das nicht nur finanziell, weil das ist oft schwierig, sondern auch medientechnisch.

Deshalb sehe ich es schon so: Wenn ich heute einen Österreicher sehen oder finden würde, der außergewöhnliches Talent hat und kein Dummkopf ist – wie viele da draußen, aber nicht speziell Österreicher sondern prinzipiell junge Piloten, die sich generell überschätzen und nur in ihrem Mikrokosmos leben und mit Scheuklappen unterwegs sind – dann würde ich ihn jedenfalls mehr unterstützen als jeden anderen.

Aber ich unterstütze den Valtteri Bottas, der außergewöhnlich ist. Und ich helfe in Österreich dem Klaus Bachler, der ein talentierter, intelligenter und wohl erzogener Bursche ist, der leider einen schweren Unfall hatte.

Wie geht es ihm jetzt?

Gut, er hat seine Matura gemacht und blickt sehnsuchtsvoll darauf, wieder Formel 3 fahren zu können. Da werden wir uns noch zusammensetzen und schauen, wie es weitergeht.

Unsere LeserInnen wollen sicher wissen, wer der nächste Österreicher in der Formel 1 ist – ist Klaus Bachler deiner Meinung nach derjenige mit den größten Chancen?

Aus meiner Sicht ist der nächste Österreicher in der Formel 1 derjenige, der versucht, die Prioritäten richtig zu setzen, der überdurchschnittlich intelligent, überdurchschnittlich talentiert ist und fünf Millionen Euro Spielgeld in der Tasche hat.

Also niemand?

Ja, ich sehe im Moment gar niemanden in der Nähe der Formel 1. Bei all denen, die ich sehe, mangelt es irgendwo. Bei den ganz jungen wage ich nichts zu sagen, denen tue ich vielleicht Unrecht, weil ich sie nicht kenne.

Aber es ist jedenfalls nicht so, dass da einer draußen wäre, der in jeder Rennserie alles in Grund und Boden fährt – und das haben aber die Hamiltons, Räikkönens und Massas alle gemacht. Und wenn das einem einmal gelingt, und sei es auch nur im Kart, dann fällt der auf. Aber so einen gibt es derzeit nicht in Österreich.

Vefolgst du den Kartsport in Österreich?

Ja. Ich bin am Samstag in der brütenden Hitze mit meinen keppelnden Kindern bei der Kart-EM in Bruck gestanden. Ich versuche immer wieder, hier rein zu hören, ob es jemanden gibt – auch bei einem Bottas oder Bachler war mir das Feedback eines Harri Egger, der die Kartbahn in Bruck leitet, sehr wichtig.

News aus anderen Motorline-Channels:

Weitere Artikel:

Norbert Haug im DTM-Interview

"Wäre Anschlag auf die eigene Sache!"

Wie Norbert Haug die neue Testbeschränkung in der DTM einschätzt, wieso man jetzt Valentino Rossi holen sollte und was ihm Hoffnung für die Zukunft gibt

Qualifying Australien

Max Verstappen doch wieder auf Pole!

Trotz Druck von Ferrari: Max Verstappen steht beim Grand Prix von Australien nach einem spannenden Qualifying erneut auf Poleposition

Nachgefragt beim viermaligen Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel: Ob er wirklich über ein Comeback nachdenkt und mit wem echte Gespräche stattfinden

Zwei Wochen nach seiner Blinddarmoperation gewinnt Carlos Sainz das Rennen in Melbourne - Max Verstappen mit Bremsdefekt k.o. - Nico Hülkenberg holt WM-Punkt