Thermografie entlarvt Karosserie-Pfusch | 11.04.2016
Heiße Spur
Die Thermografie bringt den Zustand einer Oldtimer-Karosserie unter der Lackschicht ans Licht. Alles echt, oder wurde nachgearbeitet?
mid/wal
Unterm Lack schmucker Oldtimer kann sich die Hölle auftun. Übertünchter Pfusch an der Karosserie lässt sich aber elegant aufdecken. Auf der Techno Classica in Essen zeigten die Gesellschaft für Technische Überwachung (GTÜ) und der Entwickler Carl Messtechnik, wie eine schonende Untersuchung durch Thermografie funktioniert - berührungslos und zerstörungsfrei.
Und wie funktioniert das Verfahren? Ein Blitz trifft einen gelben VW SP 2 aus den 1970er-Jahren. Mit Hilfe einer Wärmebildkamera wird nun ein Temperatur-Muster erstellt. Bei der Prozedur erwärmt sich das Fahrzeug um maximal zehn Grad, sagt Michael Veith, Marketingleiter von Kooperationspartner Classic Car Check.
Nach dem Motto "Wir schauen unter den Lack" kontrollieren die Karosserie-Experten die Welt jenseits des schönen Scheins. Auf dem Monitor kommt alles ans Licht: Kleinste Unterschiede im Lackaufbau, aber auch Schweißnähte entgehen den Argusaugen der Kamera nicht.
Wir erkennen unter dem Lack Reparaturen an der Karosserie, betont Michael Veith. Der VW-Sportwagen aus den Karmann-Werken do Brazil, der zu Demonstrationszwecken untersucht wurde, zeigt sich bis auf wenige Spachtelstellen in einem guten Zustand.
Doch der Experte kennt auch andere Fälle: "Wir haben mal einen Porsche geprüft", berichtet der Thermografie-Experte. "Der war 10.000 Euro weniger wert als vom Oldtimer-Händler eingepriesen."
Demnach lassen sich handfeste Betrügereien mit der Wärme-Methode aufdecken. Veith: "Es werden oft Fahrzeuge als unfallfrei verkauft, bei denen Reparaturen an der Karosserie vorgenommen wurden." Die Thermografie bilde die Karosserie unterm Lack sowie die Lackdicke so exakt ab, dass selbst sauber ersetzte Elemente durch Originalteile sichtbar würden. "Es gibt immer ganz kleine Unterschiede, die sieht man auf dem Monitor sofort."
Dass Kritiker vor der Erwärmung des Fahrzeugs durch die Thermografie warnen, lässt Michael Veith kalt. Bei den maximal zehn Grad Temperaturerhöhung sehe er keinerlei Gefahren für Lacke und Gummis.
Im Gegenteil: Herkömmliche Methoden mit punktuellen Lackschichtmessungen seien aufgrund der Berührung der Karosserie mit einem händisch geführten kleinen Messfühler risikoreicher. Außerdem könne die punktuelle Messmethode nur Teilbereiche des Fahrzeugs erfassen und sei für eine ganzheitliche, lückenlose Prüfung nicht geeignet.
Geprüft werden können mit dem Thermografie-Scanner alle Karosserien aus Stahlblech, Aluminium, GFK, CFK sowie folierte Fahrzeuge. Hierbei arbeiten GTÜ und die Carl Messtechnik im Rahmen der bestehenden Partnerschaft langfristig und exklusiv zusammen.
Schon seit 1999 bietet Carl Messtechnik optische und Infrarot-optische Messdienstleistungen im Bereich der zerstörungsfreien Materialprüfung an. Die erforderlichen Geräte werden im Haus entwickelt und gebaut. Kunde ist beispielsweise Flugzeugbauer Airbus, dessen Prüfpersonal von Carl Messtechnik ausgebildet wird.
Derweil soll im Mai 2016 die erste Oldtimer-Prüfstelle der GTÜ mit Thermografie-Fahrzeugscannern in der Oldtimer-Remise Gut Keinemann in Bergkamen-Rünthe (in der Nähe von Dortmund) eröffnen.